Peru und Kolumbien sind die zwei Musterschüler Lateinamerikas
– Der Rückgang der Rohstoff- und Erdölpreise dämpfen das Wirtschaftswachstum nur leicht
– Politische Stabilität und vernünftige Wirtschaftspolitik fruchten
Peru: Obwohl der Aufschwung seit zehn Jahren anhält, leidet das Land immer noch unter sozialen Spannungen
Peru ist mit einer niedrigen Inflations- und einer hohen Wachstumsrate gut gerüstet für sinkende Rohstoffpreise. Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre bescherte die günstige Rohstoffpreisentwicklung dem ressourcenreichen Land eine wirtschaftliche Blütezeit.
Hinsichtlich des Wachstums gleicht Peru inzwischen stärker den asiatischen Ländern als seinen regionalen Nachbarn. Doch das Wirtschaftswachstum wird voraussichtlich wegen des anhaltenden Rückgangs der Rohstoffpreise einen leichten Dämpfer erfahren.
Die Rohstoffabhängigkeit ist nach wie vor die Achillesferse von Peru. Da die Industriegüter immer noch weniger als 12 Prozent der Leistungsbilanzerlöse (2012) ausmachen, möchte das Land die Diversifizierung der Wirtschaft vorantreiben. Staatspräsident Ollanta Humala hat Strukturreformen in Angriff genommen mit dem Ziel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität des Landes zu steigern.
Dabei möchte er wirtschaftliche Stabilität und Wachstum mit einer Verringerung von Armut und sozialer Ungleichheit verbinden. Allerdings könnten die sozialen Unruhen die Investoren abschrecken und negative Folgen auf das Wirtschaftswachstum haben. „Peru hat mehr investiert als andere Länder in Lateinamerika und konnte dadurch ein höheres Wachstum verzeichnen.
Auch in Zukunft dürfte die wirtschaftliche Stabilität für Investitionen sorgen und der wichtigste Wachstumsmotor bleiben“, lautet die Einschätzung von Christoph Witte, Deutschland-Direktor des belgischen Kreditversicherers Credimundi.
Die Credendo Group stuft Peru hinsichtlich des kurzfristigen politischen Risikos in die beste Kategorie (Kategorie 1 auf der Skala 1 bis 7) ein. Das mittel- bis langfristige politische Risiko wird mit Kategorie 3 als moderat bewertet. Das systemische Geschäftsrisiko ist akzeptabel; es wird auf einer Skala von A bis C in der mittleren Kategorie B eingeordnet.
Kolumbien: Die Aussichten auf ein Friedensabkommen mit der FARC dürften die wirtschaftliche Stabilität weiter verstärken
Hohe Erdöleinnahmen und eine solide Wirtschaftspolitik sorgten in den vergangenen zehn Jahren für eine deutliche Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage. Kolumbien ist der drittgrößte Erdöl- und Erdgasproduzent Südamerikas. Fossile Brennstoffe sind mit Abstand das wichtigste Exportgut.
„Dennoch beeinträchtigt der gegenwärtige Rückgang der Erdölpreise kaum die Wirtschaftsdynamik. Der Grund für die robuste Wirtschaftslage liegt in der stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik“, erklärt Christoph Witte. Demokratische Verhältnisse, eine gesunde Wirtschaftspolitik und ein freier Handel auf der Grundlage zahlreicher Freihandelsabkommen tragen zur Stabilität des Landes bei.
Doch obwohl sich Kolumbien schon immer stärker als andere Länder in der Region für Demokratie und Stabilität einsetzte, hatte es besonders unter Gewalt zu leiden, was auf die besondere Geschichte des Landes zurückzuführen ist. Auch heute stellt die FARC noch eine Bedrohung dar, doch die seit Anfang 2012 laufenden Friedensverhandlungen geben Anlass zur Hoffnung, dass der seit 50 Jahren andauernde Konflikt bald beendet werden könnte.
Trotz sichtbarer Fortschritte im Verlauf der vergangenen zehn Jahre sind Armut und soziale Ungleichheit immer noch weit verbreitet. Hauptursache ist die Bedeutung des informellen Sektors, wo die Arbeitskräfte schlecht bezahlt werden. Um die Lage zu verbessern, bemüht sich die Regierung mit Hilfe steuerlicher Maßnahmen die Arbeiter in den offiziellen Wirtschaftskreislauf einzubeziehen
. Darüber hinaus leidet Kolumbien unter einer mangelhaften Infrastruktur, insbesondere was die Transportwege anbetrifft. Um diese Schwachstelle anzugehen, wird die Regierung ein umfangreiches Infrastrukturprogramm in Angriff nehmen.
Die Credendo Group bewertet Kolumbien hinsichtlich des kurzfristigen politischen Risikos mit der besten Kategorie 1 (auf einer Skala von 1 bis 7) und stuft das mittel- bis langfristige politische Risiko mit Kategorie 4 im mittleren Bereich ein. Das systemische Geschäftsrisiko wird mit der mittleren Kategorie B auf einer Skala von A bis C bewertet.
Christoph Witte